Hier können Sie die komplette Haushaltsrede unseres OB-Kandidaten und Fraktionsvorsitzenden Christian Lange nachlesen:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren Kollegen,

Ich will die nächsten Minuten nutzen, um einige Meilensteine der Kommunalpolitik in dieser Wahlperiode kritisch zu würdigen.

Wissenschaftsförderung

Bei Ihnen ist aus der gerade jetzt notwendigen Wirtschaftsförderung eine reine Wissenschaftsförderung geworden.

Hier die Liste der vom Stadtrat beschlossenen Ausgaben für die Wissenschaft:

  • 10.000 Euro für die Beteiligung der Stadt Ingolstadt an einem Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen Ingolstadt (V0965/18)
  • 1,0 Mio. Euro für die Finanzierung einer Professur (dieses Forschungszentrums (V0965/18).
  • 20.000 Euro für die Beteiligung der Klinikum Ingolstadt GmbH an diesem Forschungszentrum (V0965/18)
  • 2,0 Mio. Euro für die Finanzierung zweier Professuren durch die Klinikum Ingolstadt GmbH im Rahmen dieses Forschungszentrums (V0965/18).
  • 3,75 Mio. Euro für drei Lehrstühle an der KU Eichstätt-Ingolstadt (V0732/19) in den Bereichen KI und Maschinelles Lernen – zusätzlich 45.000 Euro für die Erstausstattung dieser Lehrstühle.
  • 700.000 Euro für die Anschubfinanzierung von bis zu drei Professuren an der THI im Bereich KI und Maschinelles Lernen (V0731/19).
  • 50.000 Euro in zwei Haushaltsjahren für den Johann-Helfenzrieder-Transformations-Preis, den die Stadt Ingolstadt ab dem kommenden Jahr erstmals auslobt.

In der Summe sind das 7.530.000 Euro.

Sie wollen aus Ingolstadt eine Universitätsstadt machen. Ohne aber die dafür notwendige Infrastruktur zu schaffen – 6.000 Studenten mehr in Ingolstadt. Studenten brauchen Wohnungen und einen attraktiven ÖPNV.

Leider ist bei Ihnen unser gemeinsam im Sommer 2016 verabschiedeter Verkehrsentwicklungsplan 2025 nur geduldiges Papier. Weil Sie ÖPNV und Radfahren nur als lästige Nebenerscheinungen auf den Straßen sehen.

Im April 2015 hat der Stadtrat einstimmig in einer Sondersitzung das Leitbild für den Verkehrsentwicklungsplan verabschiedet.

Stärkung des Umweltverbundes (ÖV, Rad, Fuß)

In diesem Leitbild finden Sie als strategisches Ziel die Stärkung des sogenannten Umweltverbunds.

Da heißt es in der Begründung: „Nachfragewachstum ist, wo immer möglich, durch einen attraktiven und leistungsfähigen Umweltverbund aufzufangen“ – Nachfrage nach Mobilität ist damit gemeint.

Radverkehr

Der Stadtrat hat dieses Leitbild für den Verkehrsentwicklungsplan in Bezug auf das Radfahren weiter konkretisiert. Ganz am Anfang unter den strategischen Zielen heißt es in der Überschrift 1.2: „Ingolstadt setzt zukunftsorientiert auf das Fahrrad als städtisches Verkehrsmittel."

Die Realität jedoch sieht anders aus:

So haben Sie, Herr Oberbürgermeister, in einer Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung selbst gesagt, dass der Pkw-Fahrer in unserer Stadt wichtiger sei als der Radfahrer: „OB Dr. Lösel gibt zu bedenken, dass es jedesmal großen Ärger gegeben habe, wenn man für den Fahrradfahrer was ausprobiert habe. Dabei verweist er auf die Haunwöhrer Straße. Man müsse erkennen, dass manche Dinge nicht funktionieren, besonders dort wo es ein Spannungsverhältnis zwischen Autofahrer und Radfahrer gebe. Man dürfe nicht so tun, als wenn die ganze Stadt nur Radfahren möchte.“

Mit so einer Einstellung wird das mit der Stärkung des Umweltverbundes nichts, Herr Oberbürgermeister.

Der Tiefbaureferent hat es uns erst vor kurzem zur Kenntnisnahme (V0694/19) vorgelegt:

Ausgaben für den Radverkehr

2014          400 T€

2015          750 T€

2016          1.630 T€

2017          2.230 T€

2018          560 T€

In der Summe sind das 5,6 Mio. Euro (Wissenschaftsförderung 7,53 Mio. Euro – in zwölf Monaten hat der Stadtrat mehr Geld in die Wissenschaftsförderung gesteckt, als in fünf Jahren in das Radwegenetz).

Vorrangroute ist vermutlich bald das neue „Unwort des Jahres“ in Ingolstadt, weil der Vorrang des Radfahrers – oder des Umweltverbundes – von Ihnen gar nicht gewollt ist.

Wir haben viel aufzuholen für den Radverkehr und wir werden nächstes Jahr damit beginnen, zwanzig Jahre verfehlte Verkehrspolitik im Bereich des Radverkehrs zu korrigieren.

ÖPNV

ÖPNV ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Es ist unsere Pflicht, ein möglichst gutes Angebot im ÖPNV zur Verfügung zu stellen.

Der Zuschuss für den ÖPNV betrug in den letzten Jahren jährlich ungefähr 11 Mio. Euro. Wenn wir aber einmal betrachten, wieviele Menschen in unserer Stadt den ÖPNV nutzen, dann wird diese Zahl plötzlich ganz klein: Im Schnitt nutzten täglich ungefähr 55.600 Fahrgäste letztes Jahr den Bus. Im Jahr sind das 20,3 Mio. Busfahrten.

Die Mitarbeiter der INVG wissen sehr wohl, was zu tun wäre, um die Attraktivität deutlich zu steigern. Aber sie dürfen nicht. Aus Kostengründen werden sie seit fast zwanzig Jahren ausgebremst. Wir brauchen auch dringend eine komplette Reform des Tarifwesens. Das 365 Euro-Ticket ist in aller Munde. Ingolstadt muss hier als Großstadt Vorreiter sein und endlich Busfahren für einen Euro am Tag verwirklichen.

Und auch hier gilt: Wir haben viel aufzuholen im ÖPNV und wir werden nächstes Jahr damit beginnen, zwanzig Jahre verfehlte Verkehrspolitik im Bereich des ÖPNV zu korrigieren.

Fußgänger

Hierzu auch ein Beispiel: Die neue Marktkaufkreuzung zum Schneller Weg wird kaum ein Fußgänger in einem Zug überqueren können (neun Fahrstreifen im Westen der Kreuzung). Dann sollen die Leute eben warten oder über die Straße rennen, denn es kann ja nicht sein, dass – um Ihre Worte zu nutzen – beim „Spannungsverhätnis zwischen Autofahrer und Fußgänger“ der Fußgänger einen Vorrang hat.

Pkw-Verkehr

Zum Vergleich schauen wir uns kurz einmal die Situation für den Pkw-Fahrer an. Der Autofahrer ist in Ingolstadt eine Heilige Kuh, die keiner antasten darf.

Für 2020 können dem Vorbericht zum Haushalt jetzt wieder Investitionsschwerpunkte für den Straßenbau in Höhe von ca. 14 Mio. Euro entnommen werden. Im Vergleich dazu: Beim Ausbau von Rad- und Gehwegen sind es 1,05 Mio. Euro. Nicht nachvollziehbare Planungen wie der Bau eines Audi-Südrings, für den ab 2023 22,7 Mio. Euro ausgegeben werden sollen, müssen gestoppt werden.

Und auch hier gilt: Wir haben viel zu ändern im Umgang mit dem Individualverkehr und wir werden nächstes Jahr damit beginnen, zwanzig Jahre verfehlte Verkehrspolitik im Bereich des Pkw-Verkehrs zu korrigieren.

Kultur in der Stadt

In den letzten Wochen machte in der Stadt ein weiteres Wort die Runde: die Kulturverhinderer – aus Ihrer Sicht ein weiteres Unwort. Schaut man sich aber Ihre Kulturpolitik in dieser Wahlperiode genau an, dann ist das nicht nur eine Serie von Pleiten, Pech und Pannen, sondern doch schon eher eine Serie, die unter dem Titel „Verhindern, Beseitigen und Verjagen“ laufen würde. Erst haben Sie das Kulturamt kastriert (kassiert) und dann eine gemeinnützige Gesellschaft gründen lassen, deren Sinn und Zweck bis heute eher im Be- und Verhindern von Kultur gesehen werden kann.

Zum Glück gelingt es Menschen in dieser Stadt, trotz der Widerstände aus dem Alten Rathaus, Kultur und Kunst stattfinden zu lassen.

Auch hier gilt: Wir haben viel aufzuholen in der Kulturpolitik für unsere Stadt und wir werden nächstes Jahr damit beginnen, sechs Jahre verfehlte Kulturpolitik zu korrigieren.

Eine Stadt braucht einen offenen Geist für Kunst und Kultur, diese Offenheit und diesen Weitblick werden wir Ingolstadt wieder zurückgeben.

Gleiches gilt auch für den Sport: Wir brauchen in der politischen Spitze den Willen zur Unterstützung der Sportveranstalter, die mit ihren Sportevents Aushängeschild unserer Stadt sind. Da möchte ich nur mal den Triathlon nennen und an die unsägliche Diskussion erinnern, als es um die Idee eines City-Triathlons ging. Auch hier muss Verhindern und Behindern der Vergangenheit angehören.

Stadtentwicklung und Immobilien

Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man ironischerweise sagen, dass das Kaputtsparen von Immobilien auch von Ihnen, Herr Oberbürgermeister, beherrscht wird.

Der Neubau von Schulen und Kitas funktioniert.

Und der Bestand? Was haben Schulen, Kitas, Verwaltungsgebäude und Bezirkssportanlagen in den letzten Jahren bekommen?

Wir alle wissen, dass es viel zu wenig war. Wir alle wissen, dass wir bei der Instandsetzung und Instandhaltung der öffentlichen Gebäude in unserer Stadt viel zu viel gespart haben. Wir alle wissen auch, dass uns der dadurch entstandene Instandsetzungs- und Instandhaltungsstau in den nächsten Jahren ein böses Erwachen bescheren wird. Vieles ist marode.

Eine Liste mit ein paar Beispielen der größten Baustellen aus dem Bestand:

  • Stadttheater
  • Technisches Rathaus
  • Apian-Gymnasium
  • GS Hundszell
  • Alle Bezirkssportanlagen in der Stadt

Zur Abarbeitung dieses Staus brauchen wir mindestens zehn Jahre.

Und auch hier gilt: Wir haben viel aufzuholen in der Bestandspflege unserer öffentlichen Bauten und wir werden nächstes Jahr damit beginnen, zwanzig Jahre vernachlässigter Instandhaltung und Instandsetzung im Bereich des Immobilienbestands unserer Stadt abzuarbeiten.

Klima in der Verwaltung

Ich habe es Ihnen schon in einer Haushaltsrede der letzten Jahre gesagt: Sie und auch der 2. Bürgermeister wirken auf mich als Führungskräfte überfordert. Sie merken seit Jahren nicht, dass sie den Kontakt zu den Menschen in der Verwaltung verloren haben. Das ist eine sehr bedenkliche Entwicklung, denn mit der Zufriedenheit der Mitarbeiter in der Verwaltung steht und fällt der Erfolg einer bürgernahen Stadtverwaltung.

Korruptionsprävention

Ja, auch über dieses Thema müssen wir heute sprechen. Sie kennen meine Haltung dazu: Jede Form von Machtmissbrauch ist Korruption. Die Gründung einer Immobiliengesellschaft namens Arbor durch Sie, Ihren Vorgänger und einen Bauträger war der erste Schock in den Reihen des Stadtrats. Trauriger Höhepunkt der Korruptionsprozess gegen den ehemaligen Oberbürgermeister.

Für diese schwierige Aufgabe gilt genauso: Wir haben viel aufzuholen im Bereich der Compliance und der Korruptionsprävention und wir werden nächstes Jahr damit beginnen, zwanzig Jahre verfehlte Antikorruptions-Politik zu korrigieren.

Dazu werden wir mit der Compliance-Richtlinie und einem Korruptions-Register klare und unmissverständliche Maßstäbe und Regeln schaffen. Mit diesen werden wir Machtmissbrauch auf allen Ebenen, auch auf der Führungsebene unserer Stadt, zukünftig verhindern. Es darf nicht mehr sein, dass ein Oberbürgermeister alleine entscheidet, ob die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wird oder nicht. Und es darf nicht mehr passieren, dass ein Oberbürgermeister in eine städtische Beteiligungsgesellschaft hineinregiert und dort Anweisungen und Anordnungen erteilt.  

Es ist Zeit für einen Neuanfang und einen klaren Politikwechsel in Ingolstadt. Die/der Oberbürgermeister(in) muss Versöhner und Schlichter sein und muss derjenige sein, der Brücken baut.

Und der Oberbürgermeister muss zukünftig auch die Demokratie und unseren Rechtsstaat im Auge haben, wenn es darum geht, beides gegen rechte Umtriebe zu schützen. Rassismus, Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit haben in Ingolstadt nichts zu suchen. Es wird ab sofort die Aufgabe aller Demokraten in diesem Stadtrat sein, gemeinsam klare Grenzen zu ziehen. Mit mir wird es keine Diskussion über Menschenwürde, Demokratieprinzip und Rechtsstaatlichkeit geben. Wer einer Partei angehört, in der sich Teile davon gegen die Grundprinzipien unseres Staates wenden, darf nur dort beteiligt werden, wo es unausweichlich ist – eine Zusammenarbeit mit Politikern der AfD darf es nicht geben.

Der uns heute vorliegende Haushalt setzt politisch die falschen Schwerpunkte, er ignoriert die berechtigte Kritik der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an einer verfehlten Personalpolitik und er setzt die Fehler der letzten zwei Jahrzehnte fort. Erneut schieben wir Ausgaben in die Zukunft. Diesem Haushalt können wir als BGI-Fraktion daher nicht zustimmen.

Abschließend gilt auch in diesem Jahr allen Mitarbeitern der Verwaltung und aller Beteiligungsgesellschaften unser Dank für die vertrauensvolle Zusammenarbeit im abgelaufenen Jahr. Wir danken dem Sitzungsdienst für seine hervorragende Zuarbeit. Ebenso der Kämmerei und dem Finanzreferat für die intensive Kommunikation zum Haushaltsentwurf.

Mit großer Vorfreude auf den Politikwechsel im kommenden Frühjahr wünsche ich Ihnen allen eine schöne Weihnachtszeit, einen guten Rutsch in ein gesundes und glückliches neues Jahr. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!